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06 12
Schloss Schweigen

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Eine alte Ansichtskarte, gefunden in einem ganzen Stoß von Karten, die allesamt verschiedenste Innenansichten zeigen, Kirchen, Hotels, Museen, Theater - aber diese Karte ist irgendwie anders.

Ein stiller, sauberer Raum, von rechts fällt ein wenig weiches Licht durch die Vorhänge. Etwas Biedermeier, ein paar Geweihe am Türrahmen, aber alles ganz zurückhaltend. Das Zimmer wirkt weder eindeutig bewohnt, noch völlig verlassen, weder wirklich lebendig, noch vollkommen leblos. Eine besondere, ruhige Stimmung liegt in diesem Raum.

Dazu die Unterschrift: "Ein Zimmer in Schloss Schweigen."

Was für ein Name - Schloss Schweigen. Wie aus einer Geistergeschichte. Oder einem melancholischen Märchen. Schloss Schweigen muss ein sehr stiller Ort sein. Wer auch immer dort ein- oder ausgeht, er tut es auf Zehenspitzen. Nichts bewegt sich, nichts verändert sich. Die Zeit verliert an Bedeutung.

Man kann sich richtig hineingucken in dieses schweigende Bild. Man meint fast, die Stille zu hören, wie ein feines Knistern in der Luft. Vielleicht tickt auch irgendwo im Nebenraum dunkel und bedächtig eine Uhr. Vielleicht aber auch nicht.




Nun wollte ich aber doch wissen, was es mit dieser merkwürdigen Ansichtskarte auf sich hat. Auf der Rückseite fand ich folgenden Titel: "Eine Reise durch Seelchens Reich - Nr. 19".

Nun, das Internet kennt bekanntlich keine Geheimnisse (auch wenn das in manchen Fällen schöner wäre), und so war ich bereits nach kurzer Suche im Bilde. Schloss Schweigen ist ein Schauplatz des 1913 erschienenen melodramatischen Romans "Die Heilige und ihr Narr" von Agnes Günther. Es ist ihr einziges Buch und wurde erst nach ihrem Tod veröffentlicht, so dass sie vermutlich nie erfahren hat, dass sie damit eines der meistverkauften deutschsprachigen Bücher schrieb - weit jenseits der Millionengrenze!

Das (auch mehrfach verfilmte) Melodram handelt von einer Prinzessin, genannt "Seelchen", die die übersinnliche Fähigkeit besitzt, alle Menschen um sich herum empfindsam, rein und friedlich sein zu lassen. Sie umschwärmt ihren zukünftigen Mann, den edlen Prinzen Harro.

Wikipedia verortet "Die Heilige und ihr Narr" unter "konservativer Trivialliteratur", die jedoch bis in die Nachkriegszeit hinein von zig Mädchen-Generationen verschlungen und unter Tränen nachempfunden worden ist. Erst in den 1960er Jahren ließ das langsam nach, und das Buch geriet schließlich in relative Vergessenheit. Erhältlich ist es aber bis heute, und wer will, kann es auch online lesen.

Was bleibt noch: reales Vorbild für Schloss Schweigen war die Burg Tierberg in Baden-Württemberg. Dort soll es für Fans des Buches sogar ein "Seelchenzimmer" gegeben haben, das man für 1 Mark Eintritt besichtigen konnte. Möglicherweise ist dies das auf der Karte abgebildete Zimmer.

Tja, schöne Story. Wieder was dazugelernt.

Bild entzaubert? Nö! In den geheimnissvollen Gemächern von Schloss Schweigen kann sich im Laufe der Jahrhunderte so manches zugetragen haben, still und leise.







 
 
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