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01 14
Die wundersame Nachtreise des kleinen pito
Irgendwann in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre liege ich, Schulanfänger, abends auf der Mittelritze des Bettes unserer Großeltern. Ich verbringe, wie immer wieder einmal, das Wochenende bei Omma und Oppa (ja, hier im Ruhrgebiet nennt man sie so). Meine Omma hat mir wieder ausgiebig vorgelesen und anderen Spaß mit mir gemacht, nun soll ich schlafen und sie sitzt drüben im Wohnzimmer. Die beiden gucken natürlich noch Fernsehen, "Tatort" oder "Ein Fall für Zwei" und dergleichen.

Zum Einschlafen höre ich über Kopfhörer eine Kassette. Dazu muss man sagen, dass unsere Omma stets sehr aktiv war, wenn es um die Unterhaltung ihrer Enkelkinder ging, und so entlieh sie regelmäßig allerlei Kassetten aus dem städtischen Büchereibus, um sie dann für uns zu kopieren, entweder mit einem obskuren Überspielkabel, was eine recht eigenwillige Klangqualität der Kopie zum Ergebnis hatte, oder indem sie ganz einfach zwei Kassettenrecorder aneinander stellte, einer abspielend, einer aufnehmend.

In dementsprechend verrauschter Qualität höre ich also bei kleinem Nachtlämpchenlicht unter der Bettdecke liegend ein namenloses Hörspiel. Darin liegt auch einer im Bett, Professor Knüll nämlich. Doch er kann nicht schlafen, weil er so sehr über seine Forschung nachdenken muss. Er ist nämlich Gehirnforscher, und aktuell quält ihn die Frage, was denn eigentlich nachts im Kopf geschieht, also wenn man schläft.

Wie er sich so hin- und herwälzt sieht er urplötzlich etwas sehr merkwürdiges: Da kommt ein kleines Männchen auf seinem Kopfkissen auf ihn zumarschiert, mit schweren Koffern in der Hand und einer zusammengerollten Filmleinwand unter dem Arm. Und es ruft sogar: "He Sie!" Der Professor hat kaum Zeit, sich darüber zu wundern, denn im nächsten Moment schnurrt er zusammen, wird verkleinert und steht plötzlich auf seinem eigenen Kopfkissen neben dem seltsamen Mann. Der stellt sich als Traumvorführer vor und bittet kurzhand um Hilfe beim Tragen der schweren Koffer. Ein Super8-Projektor ist darin. Klar, damit führt er die Träume vor - und zwar in Professor Knülls Kopf.

Durch das groß vor ihnen liegende Ohr des Professors steigen die beiden ein, gehen den Gehörgang entlang und schlüpfen am Trommelfell durch eine Seitentür.

Ich bin gebannt! Ich liege da und verfolge fasziniert, was Professor Knüll in dieser Nacht in seinem eigenen Kopf erfährt und erlebt. Ein Erinnerungs-Archivar taucht auf, sie besuchen die Computer-Abteilung und noch anderes mehr. All dies wird mit einer lockeren Selbstverständlichkeit erzählt, dass man völlig vergisst, wie phantastisch es ist. Die Figuren werden in den Dialogen lebendig, man meint, man könnte ihnen auf der Straße begegnen. Und gerade weil das alles so real wirkt ... ist es auch irgendwie unheimlich. An der Stelle, als plötzlich alles zu schwanken anfängt und die Geräte Alarm piepsen, bekomme ich jedenfalls unter der Bettdecke regelrecht Bammel!

Aus heutiger Sicht könnte man natürlich fragen, wie man Kindern so einen Blödsinn vorsetzen kann. Kleine Männchen im Kopf! Doch in Wirklichkeit ist dieses Hörspiel von einer selten gewordenen imaginären Qualität, die der kindlichen Phantasie schon etwas abverlangt und eben gerade so in Gang setzt. Und bei aller Phantastik vermittelt es tatsächlich einiges über grundlegende Vorgänge im Gehirn des Menschen. Was davon real ist und was nur erdacht, das kriegt ein einigermaßen helles Kind schon klar.

Ich für meinen Teil war tief beeindruckt und habe dieses Hörspiel nie vergessen. Sätze wie "Nehmen wir doch die Treppe am Hinterkopf." setzen sich einfach fest.

Als ich viele Jahre, nein Jahrzehnte später im Internet danach forschte, fand ich zuerst nichts. Das Hörspiel war im Netz schlicht unbekannt. Wieder einige Zeit später dann ein Treffer: der Titel des Hörspiels lautet: "Die wundersame Nachtreise des Prof. Knüll" und Autor des Stücks ist - Überraschung! - kein geringerer als Peter Lustig! Ja genau, der mit dem Bauwagen. Der gehört ja auch zu den richtig Guten.

Nun sind wieder ein paar Jahre ins Land gegangen, das Netz wächst und gedeiht, vor allem auch die Plattform Youtube, auf die Hörspielfreunde inzwischen ganze Sammlungen alter Hörspiele hochgeladen haben, eine wahre Fundgrube ist hier entstanden. Und irgendwann ist dann auch Professor Knüll aufgetaucht. Es gibt ihn wieder! Lustigerweise ist die Online-Version genauso verrauscht, wie die Kassette, die ich damals als kleiner Junge unter der Bettdecke meiner Omma hörte. Das muss wohl einfach dazu gehören...




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