Bitte nie vergessen: jedes Gebäude hat auch einen Bauherren, und der bestimmt stets maßgeblich mit, was gebaut wird.

Sicher, der Bauherr gibt die Rahmenbedingungen wie z.B. den angepeilten finanziellen Spielraum vor. Aber für die Seele des Entwurfes sind die Architekten hauptverantwortlich.

Natürlich kann man über die Persönlichkeiten der Architekten aufgrund der von ihnen präsentierten Arbeiten nur sehr begrenzt Aussagen treffen. Aber die gewählte distanzierte, unterkühlte Selbstinszenierung ist vor dem Hintergrund des emotionsarmen Entwurfes durchaus kohärent und spiegelt nicht nur den Zeitgeist, sondern mit Sicherheit auch Facetten der an der Gestaltung und Erbauung solcher Nichtorte beteiligten Individuen.

Uff, ich habe überlegt, wie ich es sagen soll. Mir gefällt es auch.

Nicht unbedingt die klinische Umgebung - da fehlt eine Menge Bepflanzung, und auch innen hätt' mehr Holz können, aber ich mag diese klaren Linien entschieden lieber als lustige Moosgummi-Mobiles allerorten oder Sponge-Bob-Tapeten. Verniedlicht wird alles, was irgendwie mit Kindern zusammenhängt, ohnehin. Denke ich auch immer, wenn ich Kindergarten-Namen lese - da sind die lieben kleinen dann plötzlich die "Wurzelzwerge" oder "kleinen Strolche", das Kinderhaus ist das "Spatzennest" oder die "Villa Kunterbunt". Ich stehe nicht so drauf und finde auch diese Festlegung auf das Fröhlich-Bunte ein bisschen trallalla.

Ein Kinderhaus in solcher Architektur ist gewiss mal was anderes und bietet auf eine Weise auch Freiraum zur Gestaltung (wenn man's denn zulässt und keine Angst vor Fingerspuren am teuren Interieur hat).

Auch ich würde das Haus nicht als emotionslos bezeichnen. Es strahlt in seiner geradlinigen Eleganz und hochwertigen Optik ja eine ganz konkrete Stimmung aus und vermittelt bestimmte Gefühlswerte. Aber die sind in meinen Augen eben nicht: freundlich, sicher, warm, anregend, zum gemeinsamen Spiel einladend. Sondern eher: hermetisch, groß, akurat, stylisch, imponierend, und die hier modern aufgehobenen Kinder sind bestimmt nicht von armen Eltern.

Stellt Euch vor, ihr wärt drei oder vier Jahre alt und solltet diese enorm lange, von weiß spiegelnden Flächen eingeschlossene Treppe hinaufgehen. Für einen Dreikäsehoch ist das ganz schön beeindruckend - und vielleicht auch Furcht erregend.

Dann die obere Etage mit der industriell anmutenden Deckengestaltung, den großen weißen Türen und diesen riesigen sauberen Farbflächen, die trotz Rot und Orange erstaunlich kühl wirken. Die von sturmfrau angesprochenen Fingerspuren sind hier wahrlich nicht vorgesehen.

In meinem Anfangs-Kommentar habe ich mich gefragt, wozu und wem diese Architektur dient. Der einzige Hinweis auf die vorgesehene Nutzung durch Kinder sind die schmalen Sichtscheiben auf Türklinkenhöhe. Und das dahinter bereit stehende Holzspielzeug. Ansonsten wirkt das ganze auf mich wie ein cooles, zeitgemäßes Design-Objekt, das neueste Schmuckstück im Portfolio eines erfolgreichen Architekturbüros und das Vorzeige-Projekt kommunaler Kleinkindbetreuung.

Bezüglich des von stapel erwähnten "Rohbau"-Status wäre interessant zu sehen, wie das Haus heute in Benutzung wirkt. Einen (leider nur sehr spärlichen) Einblick gewährt dieser Zeitungsartikel:

http://www.zvw.de/inhalt.waiblingen-und-umgebung-kernener-kleinkinder-gut-versorgt.ea6807bf-d1a4-4651-8779-bee7e7016654.html

Ich weiß nicht - kann man so oder so sehen. Meine Schwester wohnt in einem Haus im Bauhaus-Stil, das über ähnlich lange und schnörkellose Treppengänge verfügt. Die Fußböden sind dunkel, die Wände weiß und dunkelrot, also auch nicht unbedingt kuschelwarm und plüschig. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass sich ihre zwei Kinder da irgendwie eingeschüchtert fühlen.

Ich glaube, Kinder sind da erheblich unbefangener als wir Erwachsene und erobern das Terrain auf ihre Weise. Was man Kindern so als kindgerecht anbietet, mag auch das sein, was wir gern hätten.

Stil ist das eine. An was für einer Idee von gemeinschaftlich genutztem Raum und Zusamensein sich das ganze Machwerk dann orientiert, ist wieder eine ganz andere Frage. Was mir viel eher missfiel (auf den ersten Blick) als der Baustil war beispielsweise das klassenzimmerartige Ambiente - ich hätte bei einem Kinderhaus mehr Offenheit erwartet.

Zitat: "Ich glaube, Kinder (...) erobern das Terrain auf ihre Weise. Was man Kindern so als kindgerecht anbietet, mag auch das sein, was wir gern hätten."

Hier muss ich Sturmfrau zustimmen. Diese Art der Projektion eigener (kindlicher) Sehnsüchte kommt häufig vor.

... und erobern das Terrain auf ihre Weise. ...
Ja, das ist das Spannende dabei.