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07 12
Rolf Gildenast
Irgendwann Anfang 2011 klingelte bei mir das Telefon.
Der Tänzer Rolf Gildenast war dran. Unvermittelt begann er, mir mit bedächtiger Stimme eine Geschichte zu erzählen: Es war einmal ein König, der ließ einen Künstler zu sich rufen und beauftragte ihn damit, einen Hahn zu malen. Ein großes, fein ausgeführtes Gemälde sollte es werden. Einen Monat Zeit gab er dem Künstler dafür. Als der Monat um war, ließ der König nach dem Künstler schicken, dieser jedoch bat um Entschuldigung, er brauche mehr Zeit, der Hahn sei noch nicht fertig. Der König gewährte die Bitte. Als auch die zugegebene Zeit um war, ließ der König anfragen, wie weit es denn mit dem Hahn sei. Der Künstler bat wieder um Vergebung, er brauche noch mehr Zeit, der Hahn sei noch nicht fertig. Der König verlängerte auch diesmal die Frist. Als er jedoch beim dritten Male wieder die Antwort bekam, der Hahn sei noch nicht fertig und der Künstler brauche noch mehr Zeit, wurde der König wütend und machte sich höchstselbst auf den Weg zum Atelier des Künstlers. Dort angekommen erblickte er auf der Staffelei mit Entzücken ein wundervolles Gemälde eines Hahns. Er wollte den Künstler schon zur Rede stellen, warum er denn solange dafür gebraucht habe, da bemerkte er, dass um ihn herum das ganze Atelier mit Bildern von Hähnen gefüllt war, einer neben dem anderen, hundert Stück, jeder in einer anderen Haltung dargestellt und in einer anderen Malweise ausgeführt. Der Künstler erklärte, er sei noch immer an der Arbeit, trotz vieler Versuche sei es ihm noch nicht gelungen, das Wesen eines Hahnes vollkommen im Bild wiederzugeben... Die ganze Zeit über lauschte ich verwundert und fasziniert wie Rolf mir da am Telefon diese Geschichte erzählte. Und warum erzählte er sie? Er wollte sich dafür entschuldigen, dass er noch nicht wie abgemacht die Inhalte für seine neue Webseite, die ich damals gerade für ihn erstellte, überarbeitet und mir zugeschickte hatte. Er brauche noch mehr Zeit... So etwas konnte einem nur mit Rolf Gildenast passieren. Am 14. Juli ist er in Irland tödlich verunglückt. Ganz plötzlich, im Urlaub. Ein Schock. Dieser besondere Mensch. Dieser besondere Künstler. Nicht mehr da. Seitdem treibt mich die Frage um: Ist er "fertig" geworden? Hatte er genug Zeit? Rolf Gildenast war ein Künstler. Er lebte für seine Leidenschaft: die Bewegung, den Tanz. Und für das Theater. Er war so bedingungslos Künstler, dass sich mit ihm und um ihn selbst der schnödeste Alltag in Kunst verwandelte. Er strahlte sie aus. Beeindruckend für mich war stets seine Sprache. Ruhig, bedächtig und doch kraftvoll, nicht einfach so "herausgeredet", sondern wohlüberlegt formuliert und "gestaltet". Ob er nun auf der Bühne stand und einen Monolog sprach oder seinem Publikum etwas über den Tanz erzählte, ob er telefonierte, oder jemanden auf der Straße traf - immer maß er dem Wort und seinem Ausdruck einen besonderen Wert zu. Die Kunst endete für ihn eben nicht am Bühnenrand, nein, sie war seine Lebensweise. Und er darin für mich ein großes Vorbild. Auch wenn Rolf und ich über eine gute Bekanntschaft nicht wirklich hinausgekommen sind, so war da doch bei jedem Treffen etwas Verbindendes spürbar. Als ich ihn zuhause besuchte, um ihm zu zeigen, wie man einen Film von der Kamera in den Computer und von dort auf eine DVD befördert, brachte er mir im Anschluss gleich noch einen kniffeligen Tanzschritt bei. Da hätte mehr sein können. Zu spät. Im Dezember 2010 tanzte Rolf zur Eröffnung einer Ausstellung mit dem Titel "3D" beim Bund Gelsenkirchener Künstler. Dem Motto entsprechend zeigte er einen "zweidimensionalen" Tanz, "Nachmittag eines Fauns" von Claude Debussy, nach einer Choreographie des großen polnischen Tänzers Vaslav Nijinsky, den Rolf ganz besonders bewunderte und dem er nacheiferte. Hier meine Filmaufnahme dieses Auftritts, die seit damals im Archiv gelegen hat. Etwas verwackelt, aber was soll's? Das ist Rolf Gildenast! Was noch zu sagen ist: Die zu Anfang erwähnte Webseite, die ich für ihn gestalten durfte, ist natürlich doch noch fertig geworden: http://www.theatergildenast.de Unter den vielen verwendeten Zitaten findet sich auch eines vom Heiligen Augustinus: "Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen." Nun - in dieser Hinsicht muss man sich um Rolf ganz sicher keine Sorgen machen.
adh
27.07.2012, 00:08
(link
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Schöne Worte - Danke
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